Barbara Naumann

Wenn Michael Engelhardt Hölderlin rezitiert, geschieht etwas buchstäblich Un-Erhörtes. So hat man den Dichter noch nicht gehört, und so kann man ihn keinesfalls für sich leise lesend entziffern. Denn der Rezitator überlässt ebenso Hölderlins Worten wie seinen Rhythmen und Klängen das Spiel. Engelhardts Darbietungen kennzeichnen die sorgfältigst erarbeiteten komplexen Rhythmen und langen Bedeutungs-Bögen der Gedichte. Und er intoniert präzise und mit Aufmerksamkeit für jedes Detail die raffiniert kalkulierten Klangverhältnisse der Vokale und Konsonanten. In weit getragenen Linien, die sich im Übergang zum Gesang bewegen, bringt Michael Engelhardt mit seiner klangvollen Stimme Hölderlin zu Gehör. All dies sind seine Grundlagen, aber nicht das Ziel: Denn hier entsteht eine un-erhörte, absolut erstaunliche Wirkung auf die Zuhörenden: Die Sprachbilder des Dichters stehen plötzlich deutlich und prägnant vor Augen, und die Zusammenhänge der Verse werden klar. Man kann der Entwicklung der Gedanken leicht folgen und meint, diesen komplexesten der deutschen Dichter gänzlich zu verstehen. Die zauberhafte Bewegung der klingenden Sprache überträgt sich auf die Hörenden, und der Unterschied zwischen geistigem Vollzug und emotionaler Bewegung schmilzt dahin. Dem zuzuhören ist ein Genuss und ein großes Erlebnis zugleich.

Barbara Naumann im Oktober 2024

VITA

Ins Leben gestorben im Jahr 1960, auf die Theaterbühne geboren 1974, ausgebildet durch die Westfälische Schauspielschule Bochum 1978-81, ausgebildet durch 40 Jahre Theaterbühne, ausgebildet durch Traum(a) im freien Fliegen durch irdischen Zwang.

Seit jung an Gedichte und Prosa im Offenen sprechen, sprechen, sprechen; reden.

Ich lebe und liebe das Theater, belehre, bereichere, versinnvolle, hervorsage. Ein halbes Leben lang „sauguter Zweiter“, dienend dem Rampenglanz anderer. Umarmung des Faktischen. Enttäuschung wird gleich Wahrheit (die verhüllende Decke entziehen).

Im Sommer 2017 wechselt Leben und Wirken zu neuer Aufstellung. Mit der Vorbereitung auf Hölderlin-Beethoven-2020 beginnt das Rollen der Eisberge. Heute fühle ich mich gebeutelt und geschleudert – Vorne scheint immer da, wo du hingeworfen wirst – aber irgendetwas funktioniert.

Jetzt arbeite ich auf Musikbühnen, texte und arrangiere, konzipiere Textdramaturgien zu musikalischen Kompositionen und Konstellationen und spreche zu den allerschönsten Instrumentalklängen. Meine Musik der Sprache trifft die Sprache der Musik.

An das Göttliche glauben die allein, die es selber sind.

Februar 2023
Michael Engelhardt

siehe auch:

https://festival-sempach.ch

https://www.luzernerzeitung.ch/kultur/zentralschweiz/sempach-festival-beethoven-und-hoelderlin-vereint-in-sempach-kehrten-tote-helden-zurueck-ld.2312617

https://www.lucernefestival.ch/de/programm/kuenstlerverzeichnis/michael_engelhardt/3236

Den folgenden Auftritt muss ich vermelden, obwohl er nicht stattfand. Gemeinsam mit Igor Levit, Patricia Kopatchinskaja und Franz Hohler, das wäre ein unermessliches Erlebnis geworden, wenn nicht … tja, man schrieb das Jahr 2020 und beinahe jegliche Freude wich der Angst.

Ebenso, wie die fünf Auftritte auf dem Lucerne Festival im Sommer 2020, es sollten die Früchte meiner jahrelangen Vorbereitung zum Jubliäum von Ludwig van Beethoven und Friedrich Hölderlin werden, und sie wurden alle … abgesagt.

https://www.unilu.ch/fakultaeten/tf/institute/oekumenisches-institut-luzern/veranstaltungen/archiv/wie-hoelderlin-hoeren-wie-hoelderlin-rezitieren-5040/

Blumen der Sprache im Garten der Stille

Dieses Konzept steht ewig. In den Abbildungen gezeigte Daten sind irrelevant, jede Anfrage wird persönlich beantwortet.

„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Muthes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Muth, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.“ (Immanuel Kant, 1784)

Garten der Stille, Römerswil, Hitzkirchstrasse 6

Garten der Stille, Römerswil, Hitzkirchstrasse 6

Bei jedem Wetter. Schirme, Wolldecken und Kissen vorhanden. Anmeldung bitte Tel:  076 74 891 64 oder Mail: engelhardt@hldrln.de

Dauer: ca. 2 Std.

Eintritt = Ausschritt, nämlich Gaabe, Kollekte.

Menschenbeifall

Ist nicht heilig mein Herz, schöneren Lebens voll, 
   Seit ich liebe? warum achtetet ihr mich mehr, 
      Da ich stolzer und wilder, 
         Wortereicher und leerer war? 

Ach! der Menge gefällt, was auf den Marktplatz taugt, 
   Und es ehret der Knecht nur den Gewaltsamen; 
      An das Göttliche glauben 
         Die allein, die es selber sind.

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Videos

Im Laufe der Zeit entstehen Video- und Tonaufnahmen einzelner Gedichte. Hier eine Auswahl aus diesen Arbeitsaufnahmen.

Im Frühjahr 2020 morgens vor sieben am Sempacher See

Im Winter 2018/19

Mitschnitte

Samstag, 14. November 2020, kurz nach 9 Uhr morgens, im SRF2 Radio, im „Musikmagazin“
hier der Verweis auf den aktuellen SRF- Server

Sonntag, 15. November 2020, kurz nach 21 Uhr abends im Deutschlandfunk
2-stündiger Konzertmitschnitt, moderiert
Ausschnitt über Engelhardt (Länge: 2m19s) hier.

Montag, 16. November 2020, kurz nach 10 Uhr morgens im SRF2 Radio, in „Kontext“

Mittwoch, 16. Dezember 2020 um 20:03 Uhr, das Abendkonzert im SWR2 – Kultur:
Beethoven|Hölderlin: Bagatellen ganze Sendung, ca. 90 Minuten einführendes Gespräch, 40 Min. Konzert
Beethoven|Hölderlin: Bagatellen nur Konzert, ohne Gespräch

Von Sonntag, 27. Dezember 2020 bis Sonntag 3. Januar 2021, „Zwischen den Jahren“ – Hölderlin vom Sofa. Acht Livestreams à ca. 90 Minuten: Gespräche über Sprache.

Videos zu Zeiten der Cholera:
Abspann zum Kino-Programm ‚Hölderlin: Sprache – Großes Kino‘. Premiere Februar 2020
Trailer zum Kino-Programm (F.Hölderlin, Friedensfeier. Erste Strophe)

Luzern und Zürich

Kino-Trailer 57 Sek.

Die Klangkunst Hölderlins macht Ohren zu Augen des Geistes. Die klangrhythmische Struktur vermittelt sich semantisch-akustisch, deutet und atmet aber auf anderer Ebene.

„Der Geist vermittelt sich immer rhythmisch“ (Beethoven und Hölderlin).