Bagatellen-Projekt

Im Studio des SWR, Oktober 2020, bei den Aufnahmen des Bagatellen-Projektes. v.L.n.R.: Burkhard Pitzer-Landeck (Tontechnik), Michael Sandner (Tonmeister), Stefan Wirth, Mark Sattler, Michael Engelhardt

mit Stefan Wirth, Michael Engelhardt und Mark Sattler am Samstag, 28. Oktober 2023 um 11 Uhr im Kongresshaus Zürich / Seezimmer

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Begegnet sind sich Friedrich Hölderlin und Ludwig van Beethoven nie. Beide wurden 1770 geboren, beide trieben ihre Kunst im eigentlichen Sinn des Wortes auf die Spitze. Wir wissen nicht, ob und was sie voneinander wussten; es gibt keine Zeugnisse einer Rezeption, also auch keine Zeugnisse einer künstlerischen Auseinandersetzung. Schade, denn beide waren herausragende Visionäre ihrer Zeit, haben – der eine mit Tönen, der andere mit Buchstaben – ungemein tiefgründig ihr Material erforscht, durchgearbeitet, ausgehört und bis an seine Grenzen getrieben.

Das von Michael Engelhardt, Mark Sattler und Stefan Wirth entwickelte Text-Musik-Projekt «Bagatellen» verbindet Hölderlin und Beethoven miteinander: Hölderlins «In lieblicher Bläue blühet», das früheste Werk nach seinem Zusammenbruch 1806, und Gedichte aus seiner Tübinger Zeit 1807 – 1843 werden mit Beethovens letztem Klavier-Zyklus von sechs Bagatellen op. 126 verknüpft.

«Von einem grossen Mann ist alles interessant, und die Kleinigkeiten desselben sind es nicht am wenigsten», wusste schon Jean Paul. Nachdem Friedrich Hölderlin und Ludwig van Beethoven in grossen Werken Gipfel erklommen haben, funkeln in ihrem Spätwerk wie Kristalle die Bagatellen op. 126 und die sogenannten Turm-Gedichte: kondensiert, konzentriert und knapp, eine Summa bildend. Beethoven schrieb dazu an seinen Verleger: «6 Bagatellen oder Kleinigkeiten für Klavier allein, von welchen wohl manche etwas ausgeführter u[nd] wohl die Besten in dieser Art sind, welche ich geschrieben habe.» Verblüffende Korrespondenzen entstehen, wenn man Beethovens Bagatellen und Hölderlins Turm-Gedichte – wie in dieser «komponierten» Begegnung – nebeneinander stellt und sie in simultane Konstellationen bringt: ein Dialog, der Ton und Wort eng verschränkt, der die Originale gleichsam neu beleuchtet und aufbricht für neue Deutungen.

Stefan Wirth ist eine der vielschichtigsten Musikerpersönlichkeiten der Schweizer Musikszene und ist als Pianist, Komponist, Theatermann und Hochschuldozent an der Musik in all ihren Facetten sowie an ihren Querverbindungen zu anderen Künsten interessiert.

Als Pianist verschreibt er sich schwerpunktmässig der Neuen Musik und arbeitete als Mitglied vom Ensemble CNZ (Zürich, Schweiz) oder dem Ensemble Contrechamps (Genf, Schweiz) verschiedentlich mit Dirigent*innen und Komponist*innen wie Heinz Holliger, Pierre Boulez, Beat Furrer, Enno Poppe und Rebecca Saunders zusammen.

Als Mitglied der 4-Flügel-Formation «Gershwin Piano Quartet» spielt er u.a. am Schleswig-Holstein Musik Festival, dem Klavierfestival Ruhr, im KKL Luzern, in der Tonhalle Zürich, im Konzerthaus Dortmund, im National Palace of Culture Sofia (Bulgarien), dem National Center for the Performing Arts Beijing (China) oder der Sala Sao Paolo (Brasilien).

Im Theaterbereich hat er häufig mit Anna-Sophie Mahler und Christoph Marthaler zusammengearbeitet und war unter anderem an der Biennale Venedig (Italien), an der Deutschen Oper (Berlin) und der Volksbühne (Berlin) zu sehen und zu hören.

Seine kompositorische Ausbildung erhielt er bei George Benjamin, inzwischen umfasst sein Werkkatalog an die 30 Stücke für verschiedene Besetzungen. Aufträge erhielt er vom Münchener Kammerorchester, dem Ensemble Proton, dem Klangforum Heidelberg, dem Ensemble Makrokosmos, dem Ensemble ö!, der Camerata Variabile, dem Berner Kammerorchester, dem Kammerorchester Basel, dem Ensemble Aequatuor, dem Tonhalle Orchester Zürich, dem Collegium Novum Zürich, dem Ensemble Contrechamps, dem NEXUS Reed Quintet, dem Konzerttheater Bern sowie vom WDR für die Wittener Tage für neue Kammermusik, vom Deutschlandfunk, den Poetischen Liedertagen in Weimar, der Ruhrtriennale, und dem Lucerne Festival.

Im Frühjahr 2022 wurde seine Oper «Girl with a pearl earring” nach dem gleichnamigen Roman von Tracy Chevalier am Opernhaus Zürich uraufgeführt und in der Kritikerumfrage des Magazins «Opernwelt» als «Uraufführung des Jahres» ausgezeichnet.

Seit 2019 ist er Dozent für Klavier mit Schwerpunkt Neue Musik an der Musikhochschule Luzern HSLU (Schweiz).

Mark Sattler, 1964 in Kassel geboren, studierte Musikwissenschaft und Philosophie in Hamburg. Seit 1999 Dramaturg bei LUCERNE FESTIVAL für zeitgenössische Musik. Erschuf Wort/Musik-Projekte zu Friedrich Hölderlin und Luigi Nono mit dem Hölderlin-Herausgeber D. E. Sattler und «Bagatellen» zu Hölderlin und Beethoven mit Michael Engelhardt und Stefan Wirth.

Michael Engelhardt ist Schauspieler und Rezitator und gilt mittlerweile als wegweisender Interpret der Lyrik Friedrich Hölderlins. Nach über 40 Jahren Theater arbeitet er nun mit namhaften Musikern und Musikerinnen auf internationalen Konzertbühnen, konzipiert sprach-musikalische Programme, schreibt Bühnentexte und organisiert seit 2022 ein eigenes Festival für Sprache und Musik in Sempach.

Im Sommer 2023 leitete er das Eröffnungskonzert des internationalen Musikfestivals Alpentöne in Altdorf mit einem 30-stimmigen Sprechchor des Schweizer Monumentalgedichtes “Die Alpen” von Albrecht von Haller und auf dem diesjährigen Gstaad Menuhin Festival präsentiert er gemeinsam mit Patricia Kopatchinskaja, Polina Leschenko, Anastasia Kobekina und anderen die Uraufführung des Melodramas “Sedna” (Komposition: Patkop, Text: Engelhardt). Er lebt in Arnhem/Niederlanden und in Sempach/Schweiz.