GEISCHT – Hölderlin hören in Zürich

Die klingende Sprache Hölderlins – präsentiert von Heinz Holliger, Wolfram Groddeck, Mark Sattler, Stefan Wirth und Michael Engelhardt; ein ganzer Tag voller Dichtung und Klang. Im Kongresshaus Zürich am Samstag, 28. Oktober ab 11 Uhr.

Programm:

11 Uhr
Robert Schumanns „Gesänge der Frühe“ stehen am Anfang unseres Programms und legen schon einige der Fährten, die im Laufe des Tages wieder aufgenommen werden: Schumann bezieht sich in diesem, kurz vor seinem geistigen Zusammenbruch entstandenen Werk, ausdrücklich auf Hölderlin und dessen Figur Diotima. Heinz Holliger hat diese „Gesänge der Frühe“ wiederum für ein gleichnamiges eigenes Stück verwendet, in dem er Hölderlins Gedicht: „Die Sonne kehrt zu neuen Freuden wieder“ dem Anfang des Schumannschen Stücks unterlegt – der Text passt wie angegossen auf die Melodie. Zufall? Schicksal?
In der Zusammenführung von Hölderlin mit Beethoven haben wir „Die Sonne kehrt zu neuen Freuden wieder“ als gesprochenen Text mit Beethovens Bagatelle op. 126 Nr. 1 kurzgeschlossen – wir sind also, von allem Anfang an, mitten im dichten Geflecht von Hölderlins Werk und dessen Wirkung.


Begegnet sind sich Friedrich Hölderlin und Ludwig van Beethoven nie. Beide wurden 1770 geboren, beide trieben ihre Kunst im eigentlichen Sinn des Wortes auf die Spitze. Wir wissen nicht, ob und was sie voneinander wussten; es gibt keine Zeugnisse einer Rezeption, also auch keine Zeugnisse einer künstlerischen Auseinandersetzung. Schade, denn beide waren herausragende Visionäre ihrer Zeit, haben – der eine mit Tönen, der andere mit Buchstaben – ungemein tiefgründig ihr Material erforscht, durchgearbeitet, ausgehört und bis an seine Grenzen getrieben.


14 Uhr
Wolfram Groddeck beschäftigt sich seit nunmehr 50 Jahren mit Friedrich Hölderlin. Er kennt ihn, wie kaum ein anderer. Hölderlins Welten, sein Diskurs mit den damaligen “Grössen” der Poesie, seine Beschäftigung mit Klopstock, Pindar, Sophokles, seine Korrespondenz mit Schiller, letztlich sein Scheitern an den ihn beengenden Verhältnissen, sein innerer Ausbruch, seine heute sogenannte Erneuerung der deutschen Sprache, das Phänomen Hölderlin kann Wolfram Groddeck, gemeinsam mit Michael Engelhardt, profund und einfühlsam vermitteln. Die Einordnung und Erklärung von Hölderlins privater, politischer und beruflicher Situation hilft einem Zugang zu seiner Sprache sehr.


Michael Engelhardt und Wolfram Groddeck haben in den letzten Jahren auf verschiedenen Plattformen und Podien solche Veranschaulichungen geleistet. Zuletzt auf der Jahrestagung 2022 der Hölderlin Gesellschaft in Tübingen. Bebildert mit Grafiken und Schautafeln, erklärt im Gespräch und verdeutlicht durch Rezitationen, gelingt es ihnen, dem Publikum den Werkzeugkoffer eines Dichters allgemein und den Hölderlins im Besonderen, niedrigschwellig näher zu bringen.


Die “Nachtgesänge” Hölderlins, ein Zyklus von neun Gedichten, darunter sein heute wohl bekanntestes Gedicht “Hälfte des Lebens”, diese sechs Oden und drei eigenmetrischen Werke werden sowohl in ihrer Formarchitektur und komponierten Klanggestalt erläutert, als auch integral rezitiert.


18 Uhr
Heinz Holliger, Martyna Kosecka und Stefan Wirth, drei Komponist*innen, die die heutige Schweizer Ton- und Klanglandschaft exemplarisch abbilden; ein berühmter Fels, eine experimentierfreudige Newcomerin und ein beachteter Allrounder, entblättern ihre Zuneigung, ihre Achtung und ihre Arbeit an und mit poetischen Vorlagen. Die sich spiegelnden Fragen “was tun Gedichte mit Komponistinnen” und “was tun Komponisten mit Gedichten” bilden den Einstieg, um herauszukristallisieren, wie Sprache, Gedanken und Kompositionsformen des Dichters in der musikalischen Tonsetzkunst ihre Kraft entfalten, welche Klippen auftauchen und welche Prozesse zu bewältigen sind.


19.30 Uhr
Die Klammer schliesst sich. Ein ganzer Tag Hölderlin findet seinen Punkt. “Mnemosyne.” lautet eine Titelüberschrift dieses vielschichtigen Fragmentes, notiert ganz am Ende des Homburger Folioheftes, das Manuskript-Konvolut Hölderlins, welches in seiner Textwerkstatt übrig blieb, als er am 11. September 1806 gewaltsam in die Autenriethsche Anstalt in Tübingen abtransportiert wurde, keine 100 Meter weit entfernt von seinem späteren Zimmer bei Familie Zimmer, in welchem er dann weitere 36 Jahre lebte, dichtete und sogenannt umnachtet war. Mag es dunkel gewesen sein, damals in Deutschland, aber im amphitheatralischen Zimmer bei Zimmerns, beim lieben Friz, da brannte ein Licht, helle leuchtet dieser Geischt nach Heute.

11 Uhr
Seezimmer im Kongresshaus
Matineekonzert
Robert Schumann “Gesänge der Frühe” op. 133
Stefan Wirth, Klavier
Einführung zum “Bagatellen-Projekt”
Mark Sattler, Stefan Wirth und Michael Engelhardt
Beethoven-Hölderlin, eine musikalische Begegnung
Bagatellen op. 126 und späteste Gedichte
Stefan Wirth, Klavier und Michael Engelhardt, Sprache
eine Produktion von Lucerne Festival 2021


14 Uhr
Seezimmer im Kongresshaus
Hölderlins Welten – Hölderlins Sprache
Dialog, Präsentation und Rezitationen,
Hölderlins performanter Werkzeugkoffer:
Rhythmus, Metrik, Klanggestalt. Mit Rezitation der “Nachtgesänge”
Michael Engelhardt und Wolfram Groddeck


18 Uhr
Foyer Tonhalle
Einführung zum Abendkonzert des Collegium Novum Zürich,
Martyna Kosecka, Stefan Wirth und Heinz Holliger,
Moderation: Mark Sattler


19.30 Uhr
Grosse Tonhalle
Konzert “Secret Theatre”
u.a. mit “Mnemosyne” von Stefan Wirth (Uraufführung)
und “Saqar” von Martyna Kosecka (Uraufführung)

Zum vollständigen Programm des Abendkonzertes geht es hier.